Morbus Hirschsprung (Megakolon)

Was ist „Morbus Hirschsprung“?

„Morbus Hirschsprung“ ist eine angeborene Fehlbildung, die den Enddarm betrifft. Es fehlen Nervenzellen in einem unterschiedlich langen Teil der Darmwand sowie im inneren Schließmuskel. Hierdurch fehlt dem Darm die Peristaltik, also die Schiebebewegung, um den Stuhl in Richtung Mastdarm und Darmausgang zu transportieren. Die Folgen sind eine Stauung des Darminhalts vor dem Abschnitt, in dem die Nervenzellen fehlen sowie eine Ausdehnung des Dickdarms. Daraus kann dann ein sogenanntes Megakolon (ein Riesendarm) entstehen.

Woher kommt der Name?

Benannt wurde Morbus Hirschsprung nach dem Kinderarzt Harald Hirschsprung, der die Symptome 1888 erstmalig auf dem Berliner Kongress der Gesellschaft für Kinderheilkunde im Jahr während seines Vortrags beschrieb.

Wie entsteht Morbus Hirschsprung und wie oft kommt es vor?

Morbus Hirschsprung gehört zu den seltenen, angeborenen Erkrankungen und kommt mit einer Häufigkeit von 1:3.000 – 5.000 vor. Das heißt, in Deutschland wird ca. jeden zweiten bis dritten Tag ein Kind damit geboren. Jungen sind dabei bis zu viermal häufiger betroffen als Mädchen.
Zu einem Morbus Hirschsprung kommt es durch eine Störung in der Embryonalentwicklung zu Beginn der Schwangerschaft. Es fehlen Nervenzellen in der Darmwand auf einem unterschiedlich langen, letzten Stück des Darms. Das Stück Darm, in dem die Nervenzellen oder auch Nervenzellenbündel (Ganglien) fehlen, beginnt immer am Darmausgang und reicht von dort nach oben. Das nicht funktionierende Stück bezeichnet man als nervenzellenfreies (aganglionäres) Segment; man spricht deswegen von einer Aganglionose.

Zählt Morbus Hirschsprung zu den Erbkrankheiten? Gibt es Begleitfehlbildungen?

Es wird heute davon ausgegangen, dass bei den meisten Fällen von Morbus Hirschsprung genetische Faktoren eine Rolle spielen. Das Risiko nach einem Kind mit MH ein zweites Kind mit der gleichen Erkrankung zu bekommen, liegt bei 4 %. Es gilt: Je länger das Darmstück ohne Nervenzellen ist, desto höher ist das Risiko der Vererbung auf eigene Kinder. Bei folgenden Krankheiten wurde Morbus Hirschsprung als Begleiterscheinung beobachtet: Trisomie 21 (Down-Syndrom); Undine-Syndrom; Shah-Waardenburg-Syndrom; Mowat Wilson-Syndrom.

Was sind die Auswirkungen von Morbus Hirschsprung?

Bei einem gesunden Darm koordinieren die Nervenzellen und Nervenzellenbündel in der Darmwand als Schaltstellen für eine Wechselfunktion. Diese Muskeltätigkeit des Darms (Peristaltik) ermöglicht den Weitertransport des Darminhaltes. Er wird so vom eng gestellten Darmstück in das nächste weit gestellte Darmstück transportiert, bis er schließlich in den Enddarm gelangt, wo dann die Entleerung erfolgt.
Im Falle von Morbus Hirschsprung kommt es in dem betroffenen Abschnitt zu einer Engstellung durch das Fehlen der Nervenzellen. Die Wechselfunktion findet nur beeinträchtigt statt. Der Darminhalt kann nicht oder nur in geringen Mengen weitertransportiert werden und den betroffenen Darmabschnitt kaum oder gar nicht passieren. Es folgt eine Stauung des Darminhalts vor der eng gestellten Stelle, dem nervenzellenfreien Darmabschnitt. Dadurch weitet sich der davor liegende Darmabschnitt aus, was zu einer riesigen Darmerweiterung, dem sogenannten Megakolon führen kann.

Woran erkenne ich einen Morbus Hirschsprung?

Die Diagnose sollte in der Regel im Neugeborenenalter gestellt werden können, da es sich um eine angeborene Fehlbildung handelt. Folgende Symptome sind zu beobachten:

  • verzögerter Abgang des Kindspechs (Mekonium) beim Neugeborenen
  • stark aufgeblähter Bauch
  • funktioneller Darmverschluss (Ileus) mit galligem Erbrechen
  • Gedeihstörung (Unterernährung)
  • starke Dickdarmerweiterung mit Überwucherung durch Bakterien (toxisches Megakolon)
  • akute Darmentzündung

 

Leider wird Morbus Hirschsprung nicht immer sofort erkannt, denn es ist möglich, dass alle Symptome nur schwach ausgeprägt sind oder keines dieser Symptome unmittelbar nach der Geburt erkennbar ist. Auch später, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist Morbus Hirschsprung nicht unbedingt auffällig. Solange das Baby gestillt wird, ist der Stuhl in der Regel dünn, kann also leichter vom Darm transportiert werden. Eine tägliche Entleerung ist bei Stillkindern auch nicht immer vorhanden. Somit fallen unregelmäßige Entleerung und Verstopfungsneigung nicht sofort auf.



Allerdings kommt es dann spätestens bei der Nahrungsumstellung zu Problemen, wenn ein Morbus Hirschsprung vorliegt.
Folgende Merkmale treten meist ab der Nahrungsumstellung auf:

  • ständige, starke Verstopfung (Obstipation): Die Stuhlentleerung erfolgt nur jeden 2. – 3. Tag oder noch seltener; es gibt keine beschwerdefreie Zeit dazwischen.
  • Stuhlentleerung erfolgt nur mit Hilfsmitteln (z.B. Einläufen) oder nach Manipulation am Anus (mittels Thermometer oder Finger)
  • unter Umständen explosionsartige Entleerung nach Manipulation
  • entleerter Stuhl ist sehr hart oder auch zähpastig, zwischendurch aber auch flüssig, und stinkt stark
  • geblähter, aufgeweiteter Bauch (Hinweis auf Megakolon)

 

Insgesamt schlechter Allgemeinzustand des Kindes: Verweigerung der Nahrungsaufnahme Gedeihstörung, Dehydration

Achtung: Es kann sich im stuhlgefüllten, gedehnten Darm eine Entzündung der Darmwand entwickeln (Enterokolitis) bis hin zu einer schweren Blutvergiftung (Sepsis), evtl. mit lebensbedrohlichem Kreislaufzusammenbruch.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

  • Ausführliches Gespräch über die Vorgeschichte des Patienten (Anamnese) und körperliche Untersuchung
  • Abtasten des Bauches, z.B. gebläht, vorgewölbt, harte Stuhlballen tastbar, erweiterte Dickdarmabschnitte eventuell tastbar
  • Untersucht mit dem Finger den Darmausgang und den Enddarm.
  • Ultraschall des Bauchraums
  • Enddarmdruckmessung
  • Röntgenaufnahme des Darms mit Kontrastmittel (Kolonkontrasteinlauf
  • Gewebeentnahme aus der Darmwand/Darmschleimhaut per Biopsie über Rektoskopie oder unter direkter Sicht

Wie wird Morbus Hirschsprung behandelt?

In den meisten Fällen ist eine Operation erforderlich. Ziel ist, dass der Darmabschnitt, in dem keine Nervenzellen vorhanden sind, möglichst vollständig entfernt wird. Anschließend wird der gesunde funktionierende Darm dann an das verbleibende kurze Stück des Enddarms angeschlossen. Es muss auch im Bereich des alleruntersten Darmabschnitts bis zum Schließmuskel operiert werden. Der Schließmuskel selbst darf jedoch bei der Operation auf keinen Fall verletzt werden, um die Kontinenz zu erhalten. Die Herausforderung ist also, so nahe wie möglich an den Schließmuskel heranzugehen, um möglichst viel fehlgebildeten, nicht funktionierenden Darm entfernen zu können, ohne aber die Funktion des Schließmuskels zu beeinträchtigen.

Was passiert nach der Operation?

In der ersten Zeit nach der Operation haben viele Kinder zunächst häufigen und dünnen Stuhlgang (3-8X Tag) und bekommen deshalb einen wunden Po. Eine besondere Pflege ist dann besonders wichtig. Außerdem muss eventuell für eine gewisse Zeit mit Medikamenten auf die Konsistenz des Stuhls Einfluss genommen werden.
In den folgenden Wochen und Monaten ist auf eine ausreichende Stuhlentleerung zu achten. Die Häufigkeit des Stuhlgangs sowie die Konsistenz normalisiert sich meist in einem Zeitraum von mehreren Monaten. Allerdings ist dies auch von der Länge des verbliebenen Restdarms abhängig.
Manchmal besteht auch nach der Operation ein Problem, den Stuhl zu entleeren: weil die Kommunikation zwischen Enddarm und Schließmuskel, die für die Stuhlentleerung entscheidend ist, nicht perfekt funktioniert und weil der innere Schließmuskel auch nach der Operation eine „Öffnungsschwäche“ aufweisen kann.
Es kann dann helfen auf Abführmittel zurück zu greifen und auf die Ernährung zu achten (keine stopfenden Lebensmittel).

Einen umfassenden, persönlichen Einblick in das Leben mit Megakolon liefert dieser Blog. Dabei werden auch mögliche Komplikationen thematisiert, die bei einer an Morbus Hirschsprung leidenden Schwangeren auftreten können.

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (63 Bewertungen. Durchschnitt: 4,02 von 5)
Loading...
GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner