Neurodermitis – Interview mit Heilpraktiker Joerg Graf

Sie zeigt sich auf der Haut, ist aber nicht ausschließlich eine Hautkrankheit: Neurodermitis. Meist hat die Erkrankung vielfältige Ursachen, die es heraus zu finden gilt. Heilpraktiker Joerg Graf* aus München führt eine eigene Praxis in München mit dem Schwerpunkt auf ganzheitlicher Dermatologie und beantwortet Wartezimmeronline als Experte die wichtigsten Fragen rund um Neurodermitis.

Im Interview: Heilpraktiker Joerg Graf spricht über Neurodermitis

2017 gründetet Joerg Graf die eigene Praxis in München mit dem Schwerpunkt auf ganzheitliche Dermatologie. Als Heilpraktiker möchte Herr Graf mit einem breiten Verständnis der Naturheilkunde die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Leben und Umwelt aufzeigen und insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Neurodermitis eine neue Perspektive aufzeigen. Langjährige Erfahrungen im Rahmen der ganzheitlichen Gastroenterologie sind hierbei ein wichtiger Einfluss.

Heilpraktiker Joerg Graf spricht über Neurodermitis
© Joerg Graf

Warum Neurodermitis nicht ausschließlich eine Hautkrankheit ist und wie die Lebensqualität bei chronischen Erkrankungen effektiv verbessert werden kann, erklärt Heilpraktiker Joerg Graf im Folgenden.

Von der Neurodermitis sind ca. 15 bis 30 Prozent der Kinder und 2 bis 10 Prozent der Erwachsenen betroffen. Welche Patienten kommen zu Ihnen in der Regel?

Zu mir kommen in der Regel erwachsene Patienten, die seit langem Probleme mit der Neurodermitis haben. Kinder sind zum Teil auch dabei, oftmals wenn die erwachsenen Patienten Kinder mit Neurodermitis haben und diese dann mitbringen.

Warum ist Neurodermitis nicht ausschließlich eine Hautkrankheit?

Neurodermitispatienten haben eine genetische Veranlagung für Überempfindlichkeitsreaktionen des Immunsystems. Diese Veranlagung wird als Atopie bezeichnet. Zahlreiche Einflussfaktoren beeinflussen das Immunsystem. Dazu gehören Infektionen, ausgelöst durch Viren, Bakterien oder Pilze, die das Immunsystem schwächen und damit die Entzündungen der Haut verstärken. Auch psychische Belastungen wie Stress und Aufregung haben Einfluss auf das Immunsystem.

Dies kann u. a. zu einer Verschlechterung des Hautzustandes führen und den Juckreiz verstärken. Ungefähr 70% aller Immunzellen befinden sich im Dünn- und Dickdarm, so dass auch hier schnell deutlich wird, dass der Darm und insgesamt die Verdauungsorgane einen Einfluss auf das Immunsystem und damit die Neurodermitis haben. Zahlreiche Studien zeigen mittlerweile auf, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms Einfluss auf Hautkrankheiten wir die atopische Dermatitis haben.

So zeigte beispielweise eine Studie von Manzotti und Kollegen 2014, dass Erkrankte bei täglicher Einnahme dieser Probiotikastämmen nach vier Monaten deutlich weniger Medikamente benötigten und ein schöneres Hautbild sowie abgeschwächte Krankheitsschübe aufwiesen.

Quelle: Manzotti et al., (2014). Probiotics as a Novel Adjuvant Approach to Atopic Dermatitis, Columbia International Publishing Journal of Contemporary Immunology.

Somit wird schnell klar, dass die Neurodermitis eine multifaktorielle Krankheit ist, die sich nicht auf die Haut beschränkt, sondern durch viele Faktoren, wie u.a. das Immunsystem, die Psyche und dem Darm beeinflusst wird.

Was sind die häufigsten Symptome und Begleiterscheinungen bei Neurodermitis? Welche treten schon frühzeitig auf?

Die häufigsten Symptome sind bei Säuglingen Rötungen an den Wangen und auf der Kopfhaut, sowie juckende Bläschen, entzündete und nässende Hautpartien, auf denen sich oft Krusten bilden. Das wohl bekannteste Symptom bei Säuglingen, sind die Schuppen am Kopf, die an verbrannte Milch erinnern („Milchschorf“).

Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Säuglingen ist der Juckreiz (Pruritus) das lebenseinschränkende Symptom, da sich viele betroffene vor allem nachts häufig unbemerkt und ausgeprägt Kratzen und sich damit die Hautsituation verschlechtert bis hin zu Entzündungen mit Bakterien, am häufigsten mit Staphylococcus aureus. Erstes Anzeichen ist eine sehr trockene Haut, die gerötet und schuppig ist. Es finden sich außerdem Ekzeme an Beugestellen wie Ellbogen, Knien und Handgelenken sowie an Händen, Hals und Nacken. Ebenfalls kann es zu Ekzemen im Mundbereich kommen. Oft führen die Hauterscheinungen zu seelischen Belastungen bei Betroffenen.

Welche Naturheilkunde kommt bei Neurodermitis zum Einsatz?

In der Naturheilkunde kommen verschiedene Ansätze zum Einsatz und richten sich nach der Ausgangslage beim Patienten. Eine wesentliche Rolle spielen die Verdauungsorgane. Dazu gehören der Magen, die Bauchspeicheldrüse, die Leber und der Dünn- und Dickdarm. Sind hier Auffälligkeiten vorhanden kommen entsprechende Mittel zum Einsatz.

Oftmals haben Neurodermitis Patienten ein verändertes Mikrobiom mit zu wenig Laktobazillen und Enterococcus faecalis, sowie mit einer deutlich reduzierten Anzahl an faecalibacterium prausnitzii sowie akkermansia muciniphila.

Joerg Graf

Heilpraktiker

Letztgenannter ist ein wichtiger Leitkeim für die sogenannte Darmbarriere. Er ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die „Schleimproduktion“ ordnungsgemäß abläuft. Das sogenannte Mucin bildet wie eine Schutzschicht auf unserer Darmschleimhaut. Fehlt dieser Keim oder ist er reduziert, kann die Darmbarriere gestört sein und es dringen Bakterien und Nahrungsmittelpartikel durch die Darmwand, was Immunreaktionen auslöst. Man spricht hier vom sogenannten löchrigen Darm (oder auch Leaky-Gut Syndrom).

Eine weitere Belastung können Pilze im Darm sein, die das Immunsystem schwächen. Entsprechend erfolgt die Behandlung: Es werden zum Beispiel passende Probiotika verabreicht, die die fehlenden Stämme neu wieder zuführen und so zu einem neuen Gleichgewicht führen. Darüber hinaus können Präbiotika zum Einsatz kommen. Das sind nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile, die Wachstum und Aktivität der Bakterien im Dickdarm fördern – etwa Ballaststoffe wie Inulin und Oligofruktose.

Häufig wird eine Dysbiose (falsche Zusammensetzung des Mikrobioms) begleitet von einer zu schwachen Bauchspeicheldrüsenleistung (exokrine Pankreasinsuffizienz). Hier werden zu wenig Verdauungsenzyme produziert, so dass die Verdauung im Dünndarm nicht ausreichend stattfindet, was dann zur Veränderung des Mikrobioms führt. Hier kommen stärkende Mittel für die Bauchspeicheldrüse zum Einsatz bis hin zur Substitution der Enzyme.

Darüber hinaus können auch Nahrungsmittelallergien eine Rolle spielen. Das Weglassen der relevanten Stoffe, kann bereits zur deutlichen Besserung der Hautsituation führen. Dies sind nur einige Beispiele, wie die Therapie bei der Neurodermitis aussehen kann.

Hier wird sehr schnell deutlich, dass die Ursachen für die Neurodermitis sehr vielfältig sind. Der Einsatz der Naturheilkunde erfolgt daher sehr breit gestreut und ursächlich. Generell kommen zum Einsatz:

  • Probiotika
  • Präbiotika
  • Spagyrische Mittel
  • funktionale Komplexhomöopathie (ca. bis zur Potenz D12)
  • breite Palette an pflanzlichen Wirkstoffen
  • pflanzliche Antiphlogistika (= antientzündliche Mittel)

Die Spagyrik ist ein besonderes Herstellungsverfahren, bei dem die Wirkstoffe aus Pflanzen auf eine besondere Weise getrennt, bearbeitet und dann wieder zusammengeführt werden. Salben/Cremes kommen eher nur symptomatisch zum Einsatz, um akute Linderung zu verschaffen. Hier kann beispielsweise die Pflanze Cardiospermum eine Rolle spielen, mit Kortison ähnlichen Eigenschaften. Oftmals spielt bei Neurodermitis Patienten auch eine Belastung mit Umweltgiften eine Rolle, so dass die ausleitenden Organe unterstützt werden sollten, wie beispielswiese die Niere.

Ziel ist es eine ganzheitliche Lösung zu finden, bei der die Ursachen ausfindig gemacht werden und dann genau diese entsprechend therapiert werden. Sind die Ursachen beseitigt, ist man dem Ziel, Schübe zu reduzieren und einer verbesserten Lebensqualität schon deutlich näher gekommen.

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Bei uns in der Praxis kommt immer eine breite Mischung an Therapieverfahren zum Einsatz, abhängig von der Ausgangsituation des Patienten.

Wie läuft ein typisches Erstgespräch bei Ihnen statt und wie legen Sie den Therapieplan zurecht?

Um ein genaues Bild der Situation zu erfassen besprechen wir gemeinsam alle potenziell medizinisch relevanten Informationen. Der Fokus liegt darin, zugrunde liegende Ursachen zu ermitteln, mögliche Auslöser benennen zu können und Zusammenhänge zu erkennen.

Im Erstgespräch erfolgt eine umfassende Anamnese, die die Lebenssituation, Ernährung, Auslandsaufenthalte, Stuhlgewohnheiten, Familie, Beruf, soziales Umfeld, Vorerkrankungen, Begleiterscheinungen und weiteres umfasst. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, sowie eine eventuelle Sichtung der Vorbefunde. Oftmals haben Patienten bereits eine längere Historie mit der Erkrankung, die wir in die Anamnese mit einfließen lassen können. Auf Basis der gewonnen Informationen planen wir gemeinsam die weitere Diagnostik und besprechen die Kosten dafür. Dazu gehören labormedizinische Untersuchungen wie Stuhluntersuchungen, Harndiagnostik und Blutuntersuchungen. Ergänzt wird diese Diagnostik durch weitere alternative diagnostische Methoden, wie beispielweise der Armlängenreflextest nach van Asche. Im Folgegespräch werden die Laborergebnisse ausführlich besprochen.

Auf Basis der Laborergebnisse wird ein Therapieplan erstellt. Patienten erhalten von uns einen übersichtlichen Therapieplan, der das entsprechende Mittel, die Einnahmehäufigkeit, Hinweise zur Einnahme sowie den Grund der Einnahme enthält. Da sich die Ursachen bezüglich der Neurodermitis bei jedem Patienten deutlich unterscheiden, gleicht eigentlich kein Therapieplan dem anderen. Vielmehr unterscheidet sich der Therapieplan je nach Ursache und den Ergebnissen aus den Laboruntersuchungen.

Lassen Sie mich dies in einem Beispiel verdeutlichen. Patient A hat verminderte Laktobazillen, Enterococcus faecalis und reduzierte Keimzahl an Bifidobakterien sowie einen zu hohen pH-Wert im Stuhl mit 7,1. Darüber hinaus hat Patient A eine Belastung mit Helicobacter pylori, der typischerweise im Magen sitzt. Das Blutbild zeigt darüber hinaus einen verminderten Gallefluss. Dann erhält dieser Patient beispielsweise ein Probiotikum mit den Stämmen Laktobazillen, Enterococcus faecalis und Bifidobakterien. Der hohe pH-Wert zeigt zum einem an, dass der Stuhl zu alkalisch ist, sowie zu viele Fäulniskeime auf. Mit dem Probiotikum kommt ein Mittel zum Einsatz, dass den pH-Wert durch säureproduzierende Keime reduziert.

Zusätzlich kommt ein Mittel zum Einsatz kommt, das diese Fäulniskeime reduziert. Darüber hinaus erhält der Patient eine Mittelkombination für den Helicobacter pylori. Dazu gehört beispielsweise ein Mittel mit einer speziellen Art Lactobacillus reuteri-Stamms, der die Fähigkeit hat, Bakterien an sich zu binden. Weiterhin erhält Patient A ein pflanzliches Mittel, dass die Galleproduktion anregt, ein sogenanntes pflanzliches Choleretika, sowie Cholekinetika, die die Entleerung der Gallenblase fördern. Dies kann beispielsweise die Schafgabe oder Pfefferminz sein.

Wichtig: Generell gilt ein Verschluss der Gallenwege als Kontraindikation. Bis die Therapie greift erhält der Patient zusätzlich eine spezielle spagyrische Mischung für die Haut sowie eine entzündungshemmende und juckreizmindernde Salbe. Auch hier wird wieder deutlich, die Diagnostik und die Laborergebnisse bestimmten den Therapieplan, der bei jedem Patienten unterschiedlich ist. Eine wichtige Anmerkung zum Schluss. Es ist wichtig bei Hautpatienten behutsam vorzugehen, d.h. es kann sein, dass am Anfang nur wenige Mittel zum Einsatz kommen, da immer das Risiko besteht Schübe oder sogenannte „Heilkrisen“ auszulösen. Um diese zu vermeiden muss langsam und mit Bedacht vorgegangen werden.

Termin bei Joerg Graf, Heilpraktiker in München

Wenn Sie weitergehende Fragen zur Behandlung von Neurodermitis haben oder ein ganz anderes Anliegen, können Sie sich auf der Website von Joerg Graf informieren und die zahlreichen fachlich versierten Blogbeiträge studieren. Wer aus München und Umland kommt und einen Termin in der Praxis vereinbaren möchte, nutzt am besten vorab das Kontaktformular oder ruft an.

*Vielen Dank an Joerg Graf für das Interview // Unbezahlte Werbung

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